Das Interview mit Stephan Blohm – Gesellschafter, Verwaltungsrat und erfahrener Spezialist für Finanzdienstleistungen
NFTs (Non-Fungible Token), DeFi (Decentralized Finance), Ethereum oder Meme-Coins wie Tamadoge, Dogecoin und Shiba Inu – auch Menschen, die sich weder für Kryptowährungen noch die digitale Zukunft der Finanzwelt im Allgemeinen interessieren, haben in den Medien in den vergangenen Monaten und Jahren sicherlich von diesen Begriffen gehört. Ob online, im Fernsehen oder im Radio – nicht selten war die Rede von einigen Personen, die mithilfe von Kryptowährungen sehr viel Geld in enorm kurzer Zeit verdient und oftmals auch wieder verloren haben.
In der vergangenen Zeit war in der digitalen Finanzwelt immer häufiger von den sogenannten Security Token die Rede, welche, im Gegensatz zu den meisten Meme-Kryptowährungen, auch aus Sicht der Finanzaufsichtsbehörden immer mehr Akzeptanz erfahren und langsam, aber sicher immer relevanter werden.
Wir haben uns kürzlich mit Stephan Blohm getroffen, seit mehr als einem Vierteljahrhundert erfahrener Spezialist für innovative Strukturen und Konzepte in der Administration von Finanzprodukten. Blohm ist außerdem Verwaltungsrat mehrerer luxemburgischer Unternehmen für Finanzdienstleistungen und Experte für digitale Trends im internationalen Finanzwesen. Mit Clevere.Investments hat er über Security Token und ihr Potenzial als digitale Wertpapiere der Zukunft gesprochen.
Herr Blohm, erst einmal vielen Dank, dass sie sich die Zeit für ein Interview mit Clevere.Investments genommen haben. Möchten sie sich unseren Leserinnen und Lesern vielleicht einmal kurz vorstellen?
Stephan Blohm: Sehr gerne. Ich habe für die Einladung zu danken. Ich komme ja ursprünglich aus dem Norden Deutschlands, wo es mich immer noch ab und zu hin verschlägt. Mittlerweile fühle ich mich jedoch in meiner Wahlheimat Luxemburg sehr wohl. Seit mehr als 25 Jahren bin ich nun in der Welt der Finanzdienstleistung oder besser in der Administration von diversen Finanzprodukten tätig. Meine Spielwiese ist also das Back Office im globalen Kontext.
Herr Blohm, als erfahrener Experte auf Ihrem Gebiet können Sie unseren Leserinnen und Lesern sicherlich verständlich erklären, was diese sogenannten Security Token eigentlich sind, von denen man immer häufiger liest.
Stephan Blohm: Ich hoffe doch, dass ich genau das leisten kann. Das Grundprinzip der Security Token, von welchen man in der Tat – und zum Glück – immer häufiger hört und liest, ist eigentlich recht simpel. Eine bereits bestehende Anlageklasse, etwa Wertpapiere oder Schuldverschreibungen, soll in Form eines sogenannten Token auf der Blockchain (eine kontinuierlich erweiterbare und manipulationssichere Liste von Datensätzen in einzelnen Blöcken, Anm. d. Red.) abgebildet werden.
Statt einer klassischen Verbriefung mittels eines Wertpapiers in Urkundenform und der Notwendigkeit eines zentralen Verwahrers soll der Prozess bei einem Security Token allerdings möglichst unkompliziert bleiben. Durch die Schlankheit dieser Prozesse sollen mögliche Verzögerungen und bekannte Ineffizienten des klassischen Wertpapierhandels dank einer modernen digitalen Infrastruktur optimiert werden.
Worin liegen denn die Vorteile der Security Token gegenüber alternativen Token-Lösungen, Herr Blohm?
Stephan Blohm: Da gibt es einige. Sach- und Geld-Token werden auf den heutigen Finanzmärkten häufig mit Argwohn betrachtet. Sowohl Aufsichtsbehörden als auch die jeweiligen Gesetzgeber sind gegenüber der neuen und digitalen Finanzwelt zumeist noch sehr skeptisch, manchmal geradezu konservativ einstellt. Security Token werden nach und nach allerdings immer mehr akzeptiert, auch von den zuständigen Finanzaufsichtsbehörden und ebenso in der Fonds- und Verbriefungsbranche.
Security Token sollen letztlich nicht nur die Kosten deutlich reduzieren, sondern auch die Geschwindigkeit in der Abwicklung der Transaktionen signifikant erhöhen. Vor allem zeitintensivere und dezent umständliche bürokratische Aspekte sollen deutlich reduziert oder, sofern möglich, gänzlich umgangen werden. Schlanker, schneller, kostengünstiger und unbürokratischer – so kann man Security Token auch ganz gut zusammenfassen.
Man sollte an dieser Stelle zur Information noch erwähnen, dass Security Token an sich keine individuelle, eigenständige Anlageklasse darstellen, sondern eher eine Art Gefäß. Solche mit Sachwerten unterlegten Token sind, zumindest aus Sicht der europäischen Gesetzgeber, mittlerweile mit klassischen Wertpapieren gleichgestellt.
Gibt es spezielle Gründe dafür, dass die Behörden gegenüber Security Token offener und scheinbar progressiver eingestellt sind, Herr Blohm?
Stephan Blohm: Durchaus. Im Unterschied zu anderen Trends der Branche sind die Mechanismen vergleichbar. Vergleichbar mit einem replizierenden Fonds oder einer Verbriefung liegen reale Werte hinter dem Gefäß. Es ist der ‚gleiche Wein in anderen Schläuchen‘ – und damit haben die Finanzaufsichtsbehörden bei Security Token auch ein mittelbare Überwachung. Im Vergleich zur traditionellen Emission von Wertpapieren muss die digitale Emission eines solchen Security Token die gleichen hohen Standards erfüllen, weswegen die zuständigen Behörden in dieser Hinsicht weitaus weniger skeptisch und zurückhaltend eingestellt sind.
Die Vorzüge der Security Token klingen auch für Laien durchaus interessant und nachvollziehbar. Was könnten die Gründe dafür sein, dass der Durchbruch der Security Token in der internationalen Finanzwelt bislang noch ausgeblieben ist, Herr Blohm?
Stephan Blohm: Darüber kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur mutmaßen. Ein nicht ganz unbedeutender Grund dürfte das bisherige Ausbleiben von spektakulären Erfolgsgeschichten und bedeutenden Leuchtturmprojekten in Verbindung mit Security Token sein. Im Gegensatz zum kurzzeitigen Hype, den zum Beispiel manche Meme-Coins und Kryptowährungen in der Medienlandschaft erzeugt haben, fehlt bei den Security Token sicherlich noch die Strahlkraft, auch Leute außerhalb der Branche mitzureißen. Auch ist die Technologisierung noch nicht bei allen Marktteilnehmern implementiert – der Erwerb und die digitale Verwahrung ist noch nicht auf einem Stand, den man als befriedigend bezeichnen kann.
Ein weiterer Grund dürften einige institutionelle und eher traditionell-konservativ eingestellte Investoren sein, denen es schlichtweg an Offenheit, Begeisterung oder zumindest Toleranz gegenüber neuen und innovativen Konzepten in der Finanz- und Kapitalanlagenwelt zu mangeln scheint.
Herr Blohm, könnten noch weitere Aspekte beim bis dato eher zögerlichen Durchbruch der Security Token eine Rolle spielen?
Stephan Blohm: Davon gehe ich aus. Skeptiker betonen verhältnismäßig häufig, gerade im direkten Vergleich mit Krypto-Börsen, zumeist eher geringfügige Gewinne, geringe Margen, zu hohe Set-Up-Kosten oder immer noch zu viele beteiligte Mittelsmänner, obwohl deren Zahl durch Security Token ja eigentlich signifikant reduziert werden soll.
Kritiker vergleichen hier in gewisser Hinsicht allerdings Äpfel mit Birnen – letztlich kann man Kryptowährungen nicht 1:1 mit Security Token gleichstellen und würde ihrem Potenzial damit auch alles andere als gerecht werden. Die eher traditionelle, konservative und „gesättigte“ Seite der Wertpapierwelt tut sich in Teilen noch relativ schwer mit der Digitalisierung. Daher werden Security Token hier und da, trotz ihrer Innovation und zahlreicher Potenziale, noch etwas in den Hintergrund gedrängt.
Früher oder später wird allerdings alles rein digital stattfinden, ob Wertpapiere oder alltägliches Geld. Die internationalen Krisen und Veränderungen der letzten Zeit haben gezeigt, dass sich die Finanz- und Investmentmärkte dieser Welt gegenüber innovativen und digitalen Lösungen letztlich nicht mehr verschließen dürfen. Denn die effiziente, kostenschonende und vor allem erfolgreiche Digitalisierung traditioneller Investmentoptionen, vor allem in Gestalt der innovativen Security Token, wird in jedem Fall stattfinden. Die Frage stellt sich hier meiner Meinung nach nur noch nach dem Wann, nicht mehr nach dem Ob.
Stephan Blohm, noch einmal vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre ausführlichen Antworten zum spannenden Thema der Security Token. Wir wünschen ihnen und ihrem Team viel Erfolg für die Zukunft.
Links und mehr Infos über Stephan Blohm
- Persönliche Homepage
- Persönlicher Blog
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- Vorstellung bei Managerblatt
- Euro-Leaders: Portrait
- Stephan Blohm im DienstleisterVerzeichnis
- Profil bei Unternehmens-Wiki
- ProvenExpert: Profil von Stephan Blohm
- Kressköpfe: Profil von Stephan Blohm