Das Universum für ESG-Anlagen befindet sich in einem grundlegenden Umbruch, nicht zuletzt aufgrund der politischen Signale aus den USA. Seit Donald Trump deutlich gemacht hat, dass er ESG-Kriterien nicht weiter unterstützen will, ist eine spürbare Zurückhaltung im Markt zu beobachten. Viele Investoren reagieren auf solche Entwicklungen vorsichtig, besonders wenn sie politische Risiken schwer einschätzen können. Es scheint fast, als sei das Pendel zurückgeschwungen, hin zu einem Fokus auf klassische Anlageformen ohne Rücksicht auf Umwelt-, Sozial- oder Governance-Faktoren. Dabei hat sich ESG in den vergangenen Jahren als wirksames Steuerungsinstrument etabliert – auch wenn die politische Großwetterlage derzeit einen anderen Eindruck vermittelt.
Dennoch wäre es kurzsichtig, ESG-Anlagen nun vorschnell abzuschreiben. Die harten Fakten sprechen weiterhin für eine Auseinandersetzung mit nachhaltigen Investments. Im Jahr 2024 beliefen sich die wirtschaftlichen Schäden durch extreme Wetterereignisse weltweit auf über 400 Milliarden Dollar – ein Rekordwert, der kaum ignoriert werden kann. Diese Katastrophen, seien es Überschwemmungen, Dürren oder Waldbrände, sind keine abstrakten Bedrohungen mehr, sondern beeinträchtigen ganz konkret Unternehmen, Volkswirtschaften und Lieferketten. Wer solche Risiken nicht in seine Investmententscheidungen einbezieht, übersieht einen wachsenden Teil der Realität. ESG ist also weniger eine Frage der Ideologie als vielmehr eine der Risikovorsorge – eine nüchterne, vernünftige Maßnahme in einer zunehmend instabilen Welt.
Zugleich zeigen sich trotz politischer Widerstände klare Fortschritte im Bereich der nachhaltigen Infrastruktur. In der Europäischen Union etwa übertraf im Jahr 2024 die Stromproduktion aus Solarenergie erstmals die aus Kohlekraftwerken. Das ist mehr als nur ein symbolischer Meilenstein – es ist ein klares Signal dafür, in welche Richtung sich der Energiemarkt entwickelt. Auch in den USA, trotz gegenteiliger Rhetorik, sind 90 Prozent der neuen Energieprojekte entweder auf erneuerbare Technologien oder auf Energiespeicherlösungen ausgerichtet. Diese Entwicklungen passieren nicht aus politischer Überzeugung, sondern weil sie sich ökonomisch rechnen. Wer sich heute aus dem ESG-Umfeld zurückzieht, riskiert also, langfristige Wachstumschancen zu verpassen, die auf einer Realität basieren, die sich nicht wegdiskutieren lässt.
Trotz all dieser Tatsachen verlagert sich der Fokus vieler Anleger derzeit wieder auf klassische ETFs – wohl in dem Glauben, breiter gestreut und weniger politisch angreifbar zu investieren. ETFs bieten Liquidität, Diversifikation und oftmals geringere Kosten, was in unsicheren Zeiten attraktiv erscheint. ESG dagegen wird von einigen fälschlich als Modeerscheinung abgestempelt. Doch wer langfristig denkt, sollte den nachhaltigen Wandel der Weltwirtschaft ernst nehmen. ESG ist kein Selbstzweck, sondern ein Abbild dessen, wohin sich Märkte, Technologien und Risiken entwickeln. Der momentane Rückzug sollte nicht als Ende, sondern als Übergangsphase betrachtet werden – ein Moment der Klärung, in dem sich entscheidet, wer den Wandel gestaltet und wer ihm hinterherläuft.