In der Vergangenheit lag der Fokus bei der Vergabe von Krediten vor allem auf klassischen Finanzkennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Schuldenstand. Ein Unternehmen musste solide finanzielle Grundlagen aufweisen, um als kreditwürdig zu gelten. Heute jedoch hat sich das Bild grundlegend gewandelt. Finanzkennzahlen sind zwar weiterhin relevant, aber Banken und Investoren berücksichtigen zunehmend auch nicht-finanzielle Kriterien, um die langfristige Stabilität und das Risikopotenzial eines Unternehmens zu bewerten. Insbesondere Faktoren wie Umweltbewusstsein, soziale Verantwortung und nachhaltige Unternehmensführung gewinnen stark an Bedeutung. Diese Entwicklung ist nicht nur Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels, sondern auch eine Reaktion auf die zunehmenden regulatorischen Anforderungen sowie das gestiegene Risiko durch den Klimawandel und soziale Ungleichheiten.
Die Nachfrage nach sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) ist in den letzten Jahren rasant gestiegen. Banken und Investoren fragen gezielt nach der ökologischen Nachhaltigkeit, dem sozialen Engagement und der ethischen Unternehmensführung von Firmen, bevor sie eine Kreditentscheidung treffen. Der Grund dafür ist einfach: Unternehmen, die verantwortungsvoll mit Ressourcen umgehen, ihre Mitarbeiter fair behandeln und transparente Führungsstrukturen aufweisen, gelten als weniger riskant und nachhaltiger. Dadurch wird nicht nur das Risiko von Imageschäden reduziert, sondern auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das Unternehmen langfristig erfolgreich am Markt bestehen kann. Im Bereich „Umwelt“ (Environmental) interessieren sich Banken beispielsweise dafür, wie ein Unternehmen seine CO₂-Emissionen reduziert, ob es in erneuerbare Energien investiert oder Maßnahmen zur Abfallvermeidung umsetzt. Diese Kriterien werden zunehmend wichtig, da die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wirtschaft spürbarer werden und Regierungen weltweit schärfere Umweltauflagen durchsetzen. Unternehmen, die den ökologischen Wandel verschlafen, könnten in der Zukunft mit erheblichen Kosten und Wettbewerbsnachteilen konfrontiert sein. Für Banken bedeutet dies, dass ein Kredit an ein umweltbewusstes Unternehmen ein geringeres Ausfallrisiko birgt.
Das „Soziale“ (Social) umfasst den Umgang eines Unternehmens mit seinen Mitarbeitern, Lieferanten und der Gesellschaft insgesamt. Banken schauen zunehmend darauf, ob ein Unternehmen sichere und faire Arbeitsbedingungen bietet, ob es Vielfalt und Inklusion fördert und wie es mit seinen Lieferketten umgeht. Ein Unternehmen, das seine Belegschaft schätzt und auf langfristige Beziehungen setzt, ist in der Regel auch wirtschaftlich stabiler, da es auf eine engagierte und motivierte Belegschaft bauen kann. Die „Führung“ (Governance) bezieht sich schließlich auf die Art und Weise, wie ein Unternehmen geführt wird, also wie transparent und verantwortungsvoll die Entscheidungen des Managements sind. Banken interessieren sich hierbei etwa für die Unabhängigkeit des Aufsichtsrates, die Transparenz der Entscheidungsfindung und die Struktur der Vergütungssysteme. Ein starkes Governance-System mindert das Risiko von Korruption und Fehlentscheidungen und schützt die Interessen der Investoren.
Insgesamt führen diese Faktoren dazu, dass Kreditentscheidungen heute umfassender und langfristiger betrachtet werden. Unternehmen, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft bewusst sind und die Prinzipien guter Unternehmensführung umsetzen, haben bessere Chancen, Kredite zu erhalten.