Der Aufstieg der Rüstungsindustrie stellt die Welt der nachhaltigen Geldanlagen auf eine harte Probe. Jahrzehntelang galt es als klare Linie: Wer nachhaltig investiert, meidet Waffen, Tabak, fossile Brennstoffe und all jene Branchen, die als moralisch fragwürdig oder umweltschädlich gelten. Doch die Zeiten haben sich verändert. Angesichts geopolitischer Spannungen, Krieg in Europa und wachsender Unsicherheiten erleben Rüstungskonzerne einen bemerkenswerten Boom. Plötzlich stehen Fondsgesellschaften, die bisher auf klare Nachhaltigkeitskriterien gesetzt haben, vor einer unbequemen Frage: Kann die Verteidigungsindustrie, also die Herstellung von Waffen zur Verteidigung demokratischer Staaten, als nachhaltig gelten? Manche Anbieter sagen heute ja – mit dem Argument, dass Sicherheit eine Grundvoraussetzung für jede Form von Nachhaltigkeit sei. Damit verschieben sich moralische Grenzen, die früher unantastbar schienen.
Eigentlich ist die Idee hinter nachhaltigem Investieren simpel und bestechend logisch. Wer Geld anlegt, will nicht nur Rendite, sondern auch eine positive Wirkung erzielen. Fonds, insbesondere die beliebten ETF, sind so konstruiert, dass sie breit gestreut investieren und dabei bestimmte Branchen oder Unternehmen ausschließen, die nicht den ESG-Kriterien entsprechen – also ökologischen, sozialen und ethischen Maßstäben. Das kann bedeuten, dass Investitionen in Windparks, Solaranlagen, Wasseraufbereitung oder nachhaltige Landwirtschaft bevorzugt werden. Viele Anleger wollten auf diese Weise nicht nur ein finanzielles Polster aufbauen, sondern zugleich ein Stück zur Verbesserung der Welt beitragen. Doch das Idealbild einer sauberen, ethisch einwandfreien Geldanlage bekommt Risse, wenn plötzlich Waffenhersteller als Teil einer „nachhaltigen“ Zukunft präsentiert werden.
Besonders heikel wird es, wenn Fondsanbieter beginnen, diese neuen Kriterien aktiv zu vermarkten. Ein Rüstungskonzern, der vorher kategorisch ausgeschlossen war, wird nun als „Verteidigungsunternehmen“ umetikettiert und damit in einem anderen Licht präsentiert. Der Unterschied zwischen Angriff und Verteidigung verschwimmt in der öffentlichen Wahrnehmung. Manche Anbieter argumentieren, dass Waffen zur Abschreckung beitragen, Demokratien schützen und damit Stabilität sichern. Aus dieser Perspektive seien solche Unternehmen durchaus mit nachhaltigen Prinzipien vereinbar. Andere hingegen sehen darin eine gefährliche Verwässerung der ursprünglichen Idee. Nachhaltigkeit war nie dafür gedacht, Krieg zu legitimieren – sondern sollte eine klare Alternative zum reinen Profitstreben sein.
Damit stehen Anleger vor einer unangenehmen Entscheidung. Wer sein Geld ethisch anlegen will, muss heute genauer hinschauen als je zuvor. Begriffe wie „nachhaltig“ oder „ESG“ sind längst nicht mehr so eindeutig, wie sie einmal waren. Es gibt keine einheitlichen Standards, was erlaubt ist und was nicht. Während der eine Fonds Waffen ausschließt, stuft der andere sie als „gesellschaftlich notwendig“ ein. Damit liegt die Verantwortung zunehmend beim einzelnen Sparer, die Feinheiten der Anlageprodukte zu prüfen und sich zu fragen, welche Werte er tatsächlich unterstützen will. Die Vorstellung, dass man sein Geld guten Gewissens investieren kann, ohne Kompromisse eingehen zu müssen, war vielleicht ohnehin eine Illusion. Jetzt aber zeigt sich besonders deutlich, wie brüchig moralische Kategorien werden, sobald sie mit wirtschaftlicher Realität kollidieren.