Im Jahr 2024 verabschiedete die Europäische Union die EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), mit der sie einen bedeutenden Schritt in Richtung nachhaltigerer Unternehmensverantwortung ging. Diese Richtlinie verpflichtet große Unternehmen dazu, für Schäden an Mensch und Umwelt entlang ihrer gesamten Lieferkette Verantwortung zu übernehmen. Damit reicht die unternehmerische Verantwortung über den eigenen Betrieb hinaus und umfasst auch mittelbare Auswirkungen, etwa durch Zulieferer oder Geschäftspartner in Drittstaaten. Ziel der Richtlinie ist es, Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen und andere negative Folgen wirtschaftlicher Aktivitäten frühzeitig zu erkennen, zu verhindern oder zumindest abzumildern.
Besonders hervorzuheben ist dabei die Rolle des Finanzsektors, der im ursprünglichen Entwurf der Richtlinie eine zentrale Stellung einnahm. Schon im Februar 2022 stellte die Europäische Kommission in ihrem Entwurf klar, dass Finanzinstitute durch ihre Investitionsentscheidungen erheblichen Einfluss auf das Verhalten anderer Unternehmen nehmen können. Kredite, Beteiligungen oder Versicherungsleistungen sind zentrale Hebel, mit denen der Finanzsektor zur Verbreitung nachhaltiger Geschäftspraktiken beitragen oder im Gegenzug problematische Unternehmen unterstützen kann. Daher sollten auch Banken, Investmentfirmen, Fondsgesellschaften, Versicherungsunternehmen, Rückversicherer und Pensionsfonds zu umfassender unternehmerischer Sorgfalt verpflichtet werden.
Diese Finanzakteure wären nach dem Entwurf verpflichtet gewesen, bei allen geschäftlichen Beziehungen eine sorgfältige Prüfung auf Umwelt- und Menschenrechtsrisiken durchzuführen. Konkret hätte das bedeutet, dass sie beispielsweise bei der Vergabe von Krediten oder der Beteiligung an Fonds prüfen müssten, ob durch die finanzierten Aktivitäten Kinderarbeit, Umweltverschmutzung oder andere Verstöße gegen internationale Standards begünstigt werden. Ein solches Vorgehen hätte den Finanzsektor nicht nur stärker in die Pflicht genommen, sondern auch die Qualität und Wirkung der Sorgfaltspflichten insgesamt erhöht. Denn ohne eine Einbindung des Finanzsektors bleiben zentrale Einflussmöglichkeiten auf unternehmerisches Verhalten ungenutzt.
Gleichzeitig hätte dies bedeutet, dass viele Finanzinstitute ihre internen Prozesse und Prüfmechanismen grundlegend überarbeiten müssten, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Auch wenn der endgültige Gesetzestext in manchen Punkten weniger ambitioniert ausfiel als der ursprüngliche Entwurf, so markiert die CSDDD doch einen entscheidenden Wandel im europäischen Wirtschaftsrecht: Unternehmen und insbesondere Finanzakteure sind nicht länger nur dem kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg verpflichtet, sondern müssen auch die langfristigen sozialen und ökologischen Folgen ihrer Entscheidungen mitdenken. Damit geht die EU einen weiteren Schritt hin zu einer Wirtschaftsordnung, die nicht auf Kosten von Mensch und Natur funktioniert, sondern Verantwortung als integralen Bestandteil unternehmerischen Handelns begreift.