Nachhaltigkeit ist längst nicht mehr nur ein moralischer Anspruch oder eine Frage des guten Willens, sondern hat sich zu einem handfesten Teil des unternehmerischen Risikomanagements entwickelt. Wer heute versäumt, ökologische, soziale und governancebezogene (ESG) Faktoren in seine strategischen Überlegungen einzubeziehen, riskiert nicht nur Reputationsschäden, sondern auch wirtschaftliche Rückschläge. Unternehmen stehen unter zunehmendem Druck – durch Gesetzgeber, Investoren und die Öffentlichkeit. Trotzdem bleibt ihre Reaktionszeit oft zögerlich. Veränderungen werden meist erst dann eingeleitet, wenn der Handlungsdruck zu groß geworden ist, um ihn zu ignorieren. Die Verzögerung in der Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen ist dabei weniger ein Ausdruck von Unwillen als vielmehr ein Symptom struktureller Trägheit und fehlender langfristiger Planung.
Dabei zeigen einzelne Unternehmen sehr wohl, dass es besser geht. In der Corporate Governance, also der Art und Weise, wie ein Unternehmen geführt und kontrolliert wird, konnten einige Player deutliche Fortschritte vorweisen. Transparente Entscheidungsprozesse, unabhängige Aufsichtsgremien, eine klar kommunizierte Nachhaltigkeitsstrategie – all das sind Kennzeichen einer zukunftsfähigen Unternehmensführung. Diese positiven Entwicklungen sind kein Zufall, sondern das Resultat harter Arbeit, oft auch eines Kulturwandels innerhalb der Organisation. Sie zeigen, dass Nachhaltigkeit mit guter Führung beginnt und nicht einfach in einem separaten CSR-Bericht abgehandelt werden kann. Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten.
Denn nicht alle Unternehmen konnten oder wollten mit dieser Entwicklung Schritt halten. In mehreren Fällen ist eine deutliche Verschlechterung der Governance-Strukturen festzustellen – sei es durch mangelnde Transparenz, Interessenskonflikte oder unklare Verantwortlichkeiten im Nachhaltigkeitsbereich. Solche Rückschritte werfen nicht nur Fragen zur internen Steuerung auf, sondern beschädigen auch das Vertrauen in die Märkte. Sie machen deutlich, dass Nachhaltigkeit kein statisches Ziel ist, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der Rückschläge mit einschließt. Gerade bei großen börsennotierten Unternehmen wie denen im DAX ist die Erwartungshaltung besonders hoch. Wenn hier Unternehmen sichtbar hinter den Erwartungen zurückbleiben, sendet das ein fatales Signal an die gesamte Wirtschaft.
Trotz allem hat sich der Gesamteindruck der DAX-Unternehmen im Jahr 2024 kaum verändert. Der durchschnittliche „Nachhaltigkeits-Notenschnitt“ lag bei 2,8 und damit nur unwesentlich schlechter als im Vorjahr mit 2,7. Diese Stagnation zeigt: Es gibt Fortschritte, aber sie werden durch Rückschritte anderer Unternehmen wieder nivelliert. Für echte Transformation reicht das nicht aus. Unternehmen müssen erkennen, dass nachhaltige Unternehmensführung kein „nice to have“ ist, sondern eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft, den Investoren und nicht zuletzt der eigenen Zukunftsfähigkeit. Der Weg dorthin ist steinig und verlangt mehr als Lippenbekenntnisse – er erfordert Mut zur Veränderung und die Bereitschaft, alte Muster zu durchbrechen. Nur so lässt sich Nachhaltigkeit glaubwürdig und wirksam verankern.