Während ESG bei der Bewertung nachhaltiger Anlagemöglichkeiten zunehmend in die Kritik gerät, wenden sich immer mehr Investoren dem Thema Impact Investing zu, wenn es darum geht, mit dem eigenen Investmentvermögen die größtmögliche Wirkung für Umwelt, Klima und Gesellschaft zu erzielen. Doch es gibt gute Gründe, sich mit beiden Anlagestrategien zu beschäftigen. Ein Überblick.
Der Grund, warum ESG ins Kreuzfeuer der Kritik gerät, liegt nicht etwa in der grundsätzlichen Idee. Vielmehr haben sich in den vergangenen Jahren Verfälschungen und Fehlinterpretationen bei der Anwendung der Kriterien eingeschlichen. ESG ist besser als sein Ruf, wenn das Verfahren den richtigen Platz in der Anlageentscheidung erhält.
Impact Investing: Aktiv am Geschehen teilnehmen
Impact Investing ist eine Anlagestrategie, die darauf abzielt, mit dem eingesetzten Kapital positive gesellschaftliche oder ökologische Veränderungen zu bewirken. Anleger*innen entscheiden sich zunächst für ein konkretes Wirkungsziel. Dann messen und steuern sie die erzielte Wirkung entlang des gesamten Investmentprozesses. Die Prioritäten weisen auf die Metaebene: Der ökologische und gesellschaftliche Effekt kommt noch vor der Renditeerwartung.
Impact Investing ist ein deutliches Bekenntnis zu Umwelt und Gesellschaft. Dafür akzeptieren Anleger auch einmal eine geringere finanzielle Rendite als bei herkömmlichen Anlagen. In einem Wort: Impact Investing geht über das bloße Vermeiden negativer Effekte hinaus und versteht sich als aktiver Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen wie Armut, Klimawandel oder sozialer Ungleichheit.
ESG: Verantwortungsbewusste Innensicht
ESG steht für Environmental, Social and Governance und bezeichnet ein Rahmenwerk zur Bewertung und Auswahl von Anlagen anhand der historischen Leistung der jeweiligen Unternehmen in diesen Bereichen. ESG-Anleger*innen berücksichtigen neben den traditionellen finanziellen Kriterien auch die ökologischen, sozialen und unternehmerischen Aspekte eines Unternehmens oder einer Organisation.
Die Prioritäten sind anders gewichtet als beim Impact Investing. Investor*innen streben eine marktübliche Rendite an und versuchen, negative Effekte zu minimieren oder zu vermeiden. ESG-Investing basiert also auf der Annahme, dass eine gute Performance in den Bereichen Umwelt, Gesellschaft und Ethik zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen führt oder zumindest das Risiko reduziert.
Die wesentlichen Unterschiede
Impact Investing und ESG haben zwar beide das Ziel, nachhaltig zu investieren, unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten:
- Fokus: Impact Investing konzentriert sich auf die zukünftige Wirkung einer Anlage, während ESG die vergangene Performance bewertet.
- Motivation: Impact Investing verfolgt an erster Stelle ein soziales oder ökologisches Ziel, während ESG eine finanzielle Rendite auf Marktniveau anstrebt.
- Rolle: Impact Investing erfordert eine aktive Beteiligung der Investor*innen am Wirkungskreislauf, während ESG-Anleger*innen eher eine passive Rolle einnehmen.
- Methodik: Impact Investing setzt auf eine individuelle Festlegung und Messung der Wirkungsziele, während ESG auf standardisierte Kriterien und Indikatoren zurückgreift.
Entweder-Oder-Vergleich hinkt
Welches der beiden Verfahren Umwelt und Gesellschaft mehr nützt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Beide Bewertungsmethoden beinhalten relevante Vor- und Nachteile.
Impact Investing kann einen direkten und messbaren Beitrag zur Verbesserung der Umwelt- und Klimasituation leisten, indem es gezielt in Lösungen investiert, die positive Effekte erzeugen. Allerdings ist Impact Investing noch ein relativ kleiner Markt mit begrenztem Kapital und vergleichsweise höheren Transaktionskosten. Außerdem gibt es noch keine einheitlichen Standards für die Wirkungsmessung und Berichterstattung, was die Vergleichbarkeit und Transparenz erschwert.
ESG kann hingegen einen indirekten und breiteren Einfluss auf die Umwelt- und Klimasituation haben – vor allem, indem es den Druck auf Unternehmen erhöht, ihre ESG-Performance zu verbessern und negative Effekte zu reduzieren oder zu kompensieren. Dadurch kann ESG einen größeren Teil des Kapitalmarktes erreichen und verändern. Allerdings ist ESG auch anfällig für Greenwashing oder Missbrauch, wenn die ESG-Kriterien nicht klar definiert oder überprüft werden.
Das eine kann nicht ohne das andere
Die Frage, welches Verfahren zukunftsfähiger ist und sich letztendlich durchsetzen wird, zielt in die falsche Richtung. Objektiv gesehen befinden sich beide Verfahren noch in der Entwicklung, was den Blick auf einen nicht zu unterschätzenden Aspekt verstellt: Beide Verfahren ergänzen sich auf ideale Weise.
Impact Investing hat das Potenzial, innovative Lösungen für die drängendsten Probleme der Welt zu finanzieren und zu skalieren, wenn es gelingt, mehr Kapital zu mobilisieren und die Wirkungsmessung und -kommunikation zu standardisieren und zu verbessern. ESG hat das Potenzial, den gesamten Kapitalmarkt nachhaltiger zu gestalten, wenn es gelingt, die ESG-Kriterien und -Indikatoren zu harmonisieren und zu verifizieren und die ESG-Performance stärker an die finanzielle Performance zu koppeln.
Letztlich kommt es darauf an, dass Investor*innen sich bewusst sind, welche Ziele und Erwartungen sie mit ihrer Anlage verfolgen und welche Verfahren am besten dazu passen. Beide Verfahren können einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt leisten, wenn sie verantwortungsvoll und transparent angewendet werden – am besten gemeinsam.