2026 steht an den Kapitalmärkten für einen Umbruch, wie man ihn nur in größeren Zyklen erlebt. Die Jahre zuvor waren geprägt von geopolitischen Spannungen, Lieferkettenproblemen, hoher Inflation und viel Unsicherheit, wie man sie aus den stabileren Jahrzehnten zuvor so nicht kannte. Viele Anleger haben sich in dieser Phase zurückgezogen, Liquidität geparkt, abgewartet. Nun deutet sich eine Trendwende an: Die Inflation geht schrittweise zurück, die Zentralbanken signalisieren ein Ende des aggressiven Straffungskurses, und die Unternehmen gewinnen wieder etwas Planungssicherheit. Kapitalmärkte folgen seit jeher langfristigen Grundmustern – Phasen der Übertreibung nach oben wie nach unten – und 2026 wirkt zunehmend wie der Beginn eines neuen Zyklus nach einer mehrjährigen Bereinigungsphase.
Ein wichtiger Unterschied zu den vergangenen Jahren liegt in der realwirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere in Europa. Steigende Reallöhne, das heißt Löhne, die nach Abzug der Inflation wieder tatsächliche Kaufkraftgewinne bringen, sorgen dafür, dass Haushalte wieder mutiger konsumieren. Die Beschäftigungslage ist robust, vielerorts herrscht sogar Fachkräftemangel. Das stützt den Einzelhandel, den Dienstleistungssektor und letztlich auch die Unternehmensgewinne, die die Basis für gesunde Kapitalmärkte sind. Anders als in reinen Liquiditätsphasen, in denen Kursanstiege vor allem von billigem Geld leben, wird das Wachstum jetzt wieder stärker von realen, erwirtschafteten Erträgen getragen. Diese Verbindung von ordentlicher Beschäftigung, soliden Löhnen und Produktivitätsfortschritten erinnert an frühere Aufschwungphasen, in denen die Märkte auf einem nachvollziehbaren Fundament standen und nicht nur auf Hoffnungen.
Parallel dazu sortiert sich ein zweites großes Thema neu: nachhaltige Investments. Nach Jahren voller politischer Debatten, uneinheitlicher Regulierung und einer Flut teils widersprüchlicher Label und Definitionen kehrt nach und nach mehr Struktur und Klarheit ein. Anleger, die sich traditionell an klaren Kriterien orientieren – Bilanzkennzahlen, Cashflows, Dividendenhistorie –, bekommen zunehmend belastbare Daten zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren an die Hand. Das macht nachhaltiges Investieren weniger zu einem modischen Trend und mehr zu einem ergänzenden, aber festen Bestandteil klassischer Analyse. Man knüpft damit an bewährte Tugenden an: Transparenz, Nachvollziehbarkeit und eine langfristige Perspektive, die über den nächsten Quartalsbericht hinausreicht.
Dabei zeigt sich auch ein deutlicher Unterschied zwischen den Regionen. In Europa ist die öffentliche Meinung relativ geschlossen: Nachhaltiges Handeln wird nicht als exotische Sonderlinie betrachtet, sondern zunehmend als Selbstverständlichkeit – in Unternehmen, in der Politik und in vielen privaten Haushalten. Das schlägt sich in Regulierungen, Förderprogrammen und in der Erwartungshaltung gegenüber Unternehmen nieder. In den USA ist die Debatte stärker polarisiert, Nachhaltigkeit wird dort häufiger politisiert. Für europäische Kapitalmärkte bedeutet die klare Haltung jedoch einen gewissen Standortvorteil: Unternehmen, die langfristig planen, können sich auf stabile Rahmenbedingungen einstellen und Investoren wissen, dass Themen wie Energieeffizienz, Ressourcenschonung und soziale Verantwortung nicht nur kurzfristige Schlagworte sind. So verbindet sich 2026 die traditionelle Stärke europäischer Industrie- und Finanzkultur – Langfristigkeit, Qualität, Substanz – mit einer klareren Ausrichtung auf nachhaltiges Wirtschaften und bildet damit den Rahmen für einen neuen, strukturell geprägten Aufschwung an den Kapitalmärkten.






